Sachsen braucht handlungsfähige Kommunen, in denen die Menschen gerne leben – jetzt Rettungsschirm aufspannen!
Zur Lage der Kommunen in der Corona-Pandemie geben die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag sowie sächsische Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker die folgende Erklärung ab:
Die Städte, Dörfer und Landkreise sind der Ort, in dem die Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit gestalten. Sie sind Ort sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Sie sind systemrelevante Orte von herausgehobener Bedeutung. Der in der Verfassung verankerte Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung ist nicht erst durch die Folgen der Pandemie bedroht. Die Corona-Pandemie schnürt aber den Kommunen endgültig die Luft zum Atmen ab. Die kommunale Lunge ist am Versagen und muss dringend beatmet werden.
Die Städte, Dörfer, Gemeinden in Sachsen sind der unmittelbare Erlebnisraum für die Menschen. Hier gehen die Kinder in die Kita oder in die Schule, hier sind die Spielplätze und Sporteinrichtungen, die Vereinslokale, die Theater und die Kinos. Hier sind die kleinen Kneipen, die örtlichen Versorger, die Kioske. Hier sind aber auch die kommunalen Krankenhäuser, die kommunalen Wohnungsgesellschaften, die Stadtwerke, Bauhöfe, die Verkehrsunternehmen. Hier in den Städten, Dörfern und Gemeinden ist das Leben unmittelbar und greifbar und nicht nur gesetzlicher Normierungsrahmen.
Wir Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sehen seit Jahren mit Sorge, wie die kommunale Selbstverwaltung immer mehr eingeschränkt wird. Wir sehen, wie Fördermittel nicht abgerufen werden können, weil die Eigenmittel fehlen, wie Investitionen nicht getätigt werden, weil die Finanzausstattung nicht ausreicht, wie freiwillige Leistungen eher Wunsch bleiben und meist schon in der Planung als unrealistisch verworfen werden. Wir sehen, wie ein Öffentlicher Personennahverkehr außer in den Großstädten nicht einmal das Wort Mindestabsicherung verdient und wie Jugendzentren, Schulen, Sportstätten, Gemeinschaftshäuser, Spielplätze, Kulturstätten und viele mehr nur noch in den Chroniken zu finden sind, aber nicht mehr realen Leben.
Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, aus den Möglichkeiten und unter den Rahmenbedingungen lebenswerte Kommunen zu erhalten, und wir sehen auch, dass gerade durch örtliches Engagement eine ganze Menge erreicht wurde. Dies zu erhalten und auszubauen, wird uns, wird den Kommunen nun unmöglich gemacht. Die Städte, Dörfer, Gemeinden und Landkreise, wie wir sie kennen, werden die Corona-Pandemie nicht überleben, wenn nicht radikale Schritte gegangen werden. Deshalb fordern wir einen umfassenden Schutzschirm für die Kommunen und die Landkreise. Folgende Punkte sind dabei von herausgehobener Bedeutung:
- Vollständiger Ersatz der Kosten, die den Kommunen durch die Umsetzung der Allgemeinverfügung entstanden sind,
- Aufnahme der kommunalen Betriebe in den Rettungsschirm für Unternehmen,
- Absicherung der Einrichtungen der Jugendhilfe und ihrer Träger mindestens auf dem Niveau vor der Pandemie,
- Absicherung der kulturellen, sozialen und Sporteinrichtungen sowie von deren Beschäftigten, mindestens auf dem Stand vor der Pandemie,
- ein Rettungsschirm für touristisch wichtige Einrichtungen, die einen Teil des gesellschaftlichen Lebens in den Orten ausmachen,
- Erhalt von Einrichtungen der Freizeitgestaltung, wie zum Beispiel Tierparks oder Freibäder, ohne zusätzliche Belastung für die Kommunen,
- ein Aussetzen des faktischen kommunalen Neuverschuldungsverbotes und der Auflage, Haushaltssicherungskonzepte auflegen zu müssen,
- Ermöglichung der demokratischen Arbeit von Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten auch während der Pandemie, indem dafür nötige Arbeitsvoraussetzungen geschaffen werden, zu denen alle kommunalen Mandatsträger*innen auch Zugang erhalten (z. B. die Möglichkeit von Onlineabstimmungen, die Möglichkeit von schriftlichen Anhörungen, das Tagen von kommunalen Vertretungskörperschaften, in denen die Hygieneempfehlungen des RKI gewahrt werden können, Schaffung von Möglichkeiten der Information und Beteiligung für jene kommunalen Mandatsträger*innen, die nicht allein online arbeiten können und wollen).
- Bei der Erarbeitung von Exit-Strategien seitens der Landesregierung muss die Rekommunalisierung von systemrelevanten Einrichtungen und Unternehmen in den Kommunen (z. B. Krankenhäuser, Stadtwerke, Verkehrs- und Entsorgungsbetriebe) finanziell unterstützt und der rechtliche Rahmen dafür geschaffen werden, um auch in Zukunft gleichwertige Lebensbedingungen sichern zu können.
- Bereits ins Leben gerufene Ideenwettbewerbe für den Strukturwandel in der Lausitz müssen auf ganz Sachsen ausgeweitet werden, um kreative Lösungen von Kommunen sowie vor Ort engagierten Menschen zur Schaffung von Perspektiven in den Regionen zu fördern. Dafür müssen zusätzliche Mittel in den Haushalt eingestellt werden.
- Die Gewerbesteuerverteilung muss neu geregelt werden. Schwankungen dürfen nicht zu Lasten der Kommunen gehen. Mittelfristig fordern wir die von der Gewerbesteuer unabhängige sichere Gemeindefinanzierung.
- Die finanziellen Aufteilungen zwischen dem Land und den Kommunen müssen neu ausgerichtet und schwerpunktmäßig auf die Umsetzung einer realen kommunalen Selbstverwaltung umgestellt werden.
Pressemitteilung 127⁄2020 der DIE LINKE. Fraktion im Sächsischen Landtag vom 24.04.2020
Für den Kreis Meißen haben die Erklärung unterzeichnet:
Bärbel Heym (Fraktionsvorsitzende Kreistagsfraktion DIE LINKE. Meißen)
Daniel Borowitzki (Fraktionsvorsitzender Stadtratsfraktion Radebeul)
Tilo Hellmann (Fraktionsvorsitzender Stadtratsfraktion Meißen)
Uta Knebel (Fraktionsvorsitzende Stadtratsfraktion Riesa)